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Mehr als fair: warum ich mich für ein Fairphone 3 entschieden habe

Mein erstes Smartphone hatte ich nach dem Verlust meines vorherigen Handys 2009 gekauft. Es handelte sich um ein iPhone 3GS. Bereits mit diesem Gerät startete eine Serie von Ärgernissen. Ich habe mir seitdem kein neues Smartphone gekauft, weil ich selbst fand, es ist langsam Zeit für etwas neues. Ich wurde vielmehr immer wieder dazu gebracht, mit vorzeitig ein neues zu kaufen. Aufgrund dieser Unzufriedenheit habe ich verschiedene Geräte durchprobiert.

Kurz bevor das iPhone 4 herauskam und damit iOS 4, fing das erste Ärgernis an. Eine neue iOS-Version brachte Multitasking. Das führte dazu, dass jede App, um "schneller zu starten", sich nicht mehr beendet hat und das Gerät wurde langsam und instabil. Es konnte schnell passieren, dass eine neu gestartete App sofort abstürzte, da der Speicher voll war und das System nicht schnell genug länger nicht verwendete Apps beendet hat. Als dann noch iOS 4 herauskam, wurde dieses vom iPhone 3GS nicht mehr unterstützt - und es ging sehr schnell, dass Apps dieses erfordert haben. Damit war es mehrheitlich nicht mehr möglich, neue Apps zu installieren.

Aus Ärger darüber habe ich mich entschieden, als nächstes ein anderes Gerät auszuprobieren. Ich habe das LG P-920 (Optimus 3D) mit Android gekauft und war damit sehr zufrieden. Einziges Manko war ein Hardwarebug, der dazu geführt hat, dass ich während der Garantiezeit das Gerät zweimal getauscht habe. Daher habe ich mir nach der Garantiezeit ein neues kaufen wollen, welches möglichst den gleichen Funktionsumfang hatte. Daher griff ich zum Nachfolgermodell.
Allerdings gibt es hier auch ein Problem. Das LG P-920 war das erste Handy mit 3D-Kamera und autostereoskopischem 3D-Bildschirm. Insgesamt gab es vier Geräte auf dem europäischen Markt. Nachdem das P-920 erfolgreich war, haben zwei weitere Hersteller ebenfalls ein 3D-Gerät herausgebracht und LG eine leicht verbesserte Variante.

Nun kamen also im Folgejahr 3 Geräte gleichzeitig auf den Markt. Und ein Teil der interessierten Kundschaft hatte sich gerade erst das LG P-920 gekauft. Kein Wunder, dass sich diese drei Geräte nicht so gut verkauft haben. Auch ich hatte in dieser Zeit noch Garantie auf mein P-920. Als diese abgelaufen war, gab es kein aktuelles Gerät mit 3D mehr. Das mit der aktuellsten Hardware war noch das LG P-720 (Optimus 3D Max), mit doppelt die viel RAM wie der Vorgänger und etwas neuerem Prozessor, ansonsten nahezu identisch. Neue Features waren NFC (das ich bis heute noch nie genutzt habe, außer mal probehalber) und ein UKW-Radio. Leider hatte LG das Gerät sehr schnell aufgegeben, und anders als der Vorgänger gab es nie ein Update auf eine neuere Android-Version. Daher hatte ich das Handy etwa drei Jahre lang mit einer veralteten Android-Version betrieben, bis es mir sowohl als Sicherheitsgründen als auch wegen immer stärker nachlassendem App-Support (genauso wie beim iPhone vorher auch) nicht mehr recht war, dieses Gerät weiter zu nutzen.

Dazu muss ich noch sagen, dass ich bei den LG-Geräten einige Features zu schätzen gelernt habe. Die LG-Kopfhörer gehören zwar nicht dazu, aber die austauschbare SD-Karte war sogar ein Kaufkriterium, da ich für Handy + 3s GB SD-Karte weniger gezahlt hatte als ich für ein neues iPhone hätte zahlen müssen, und später hatte ich weniger Ärger, als der Speicher voll war. Beim iPhone ist das schon passiert, sodass ich angefangen habe die Musik stärker zu komprimieren. Beim LG hatte ich zunächst den Vorteil, die Musik und weiteres auf der SD-Karte zu haben und dazu noch den internen Speicher (partitioniert als 1 GB Telefonspeicher und 6 GB "interne SD-Karte"). Somit reichten die 32 GB wieder für die gesamte Musiksammlung, während sie beim iPhone sich mit Betriebssystem, Apps und mehr den Speicher teilen musste. Als die 32 GB erneut knapp wurden, brauchte ich nur eine neue SD-Karte kaufen und kein komplett neues Gerät. Und der Wechsel auf das P-720 wurde einfacher, weil ich nur die SD-Karte aus dem einen Handy entfernen und in das andere einlegen musste statt mühsam umzukopieren.

Eine andere Eigenschaft, die ich zu schätzen gelernt habe, war der wechselbare Akku. Und zwar hatte ich bei einer GPS-Wanderung (ich habe eine App ausprobiert die die ganze Zeit den Standort abgerufen hat und mir hinterher die Route und die Kilometer angezeigt hat) festgestellt, dass der Akku in dieser Situation nur etwa vier Stunden hält. Und dann habe ich einen größeren Akku gekauft. Damit waren solche Wanderungen möglich. Des weiteren habe ich dann festgestellt, dass das Tauschen eines leeren Akkus gegen einen vollen eine gute Sache ist. Viel angenehmer, als ein Akkupack mit Kabel anzustecken. Nebenbei gemerkt sind die Energieverluste so auch geringer, da ein Lade- und Entladezyklus gespart wird. Sowohl die Entladung des Akkupacks als auch das Laden des Akkus haben nämlich Wärmeverluste. Der Quasi-Standard des Mikro-USB-Steckers war auch recht angenehm. Kabel waren billig und konnten weiter genutzt werden, während ich beim iPhone nach dem Defekt des Originalkabels noch eines übrig hatte, welches ich hinterher nicht mehr nutzen konnte. Apple hatte inzwischen auch auf Lightning umgestellt und daher wäre das Kabel nicht einmal mehr mit neuen Apple-Geräten nutzbar. Mikro-USB-Geräte habe ich hingegen weiterhin, auch wenn neue Handys mit USB-C kommen. Die Kabel kann ich also problemlos weiter verwenden.

Als nächstes habe ich ein Windows-Gerät probiert. Allerdings kein "Windows Phone", sondern ein "Windows 10 Mobile"-Gerät. Das macht einen gewaltigen Unterschied. DAs Gerät hatte eine gute Kamera und war sehr angenehm zu bedienen. Es hatte 2017 Funktionen, die bei Apple und Android erst in den Folgejahren kamen. Eigentlich hätte ich es gerne noch länger genutzt. Aber die App-Hersteller haben ihre Apps nach und nach zurückgezogen, sodass es nicht einmal mehr möglich war, das Gerät bis kurz nach den letzten Sicherheitsupdates im Januar 2020 zu verwenden.
Dieses Gerät zwang mich zwar zur Umstellung auf USB-C, aber es war klar, dass sich dieser verbesserte Anschluss als neuer Standard etablieren wird und mit Zeit die gleichen Vorteile wie Mikro-USB zuvor zeigen wird. Ansonsten hatte es alles, was ich brauchte. Ich konnte mein Headset, welches ich schon für die LG-Geräte gekauft habe, weiterverwenden. Ich konnte den Akku wechseln, auch hier hatte ich einen Zweitakku. Ich konnte eine SD-Karte einlegen. Leider hatte es kein 3D mehr, aber hier wollte ich ja bereits das neueste je in Europa verkaufte 3D-Handy durch ein aktuelleres austauschen.

Nun war ich also mal wieder in der Situation, dass ich durch ein älteres, nicht mehr durch App-Hersteller unterstütztes, Handybetriebssystem zum Umstieg auf ein neues Gerät gezwungen wurde. Die wenigen Apps, die ich überhaupt verwendet habe, hatten nach und nach die Funktion eingestellt (es gab keine Updates mehr und die Server der zuggehörigen Dienste verweigerten die Kommunikation, alte App weiter nutzen war also nicht einmal drin).

Ich suchte also nach einem neuen Handy. Es sollte aktuell sein, ein schon beim Kauf ein Jahr altes Gerät wie beim P-720 wollte ich nicht nochmal. Gut wäre es, wenn der Hersteller vor hat, das Gerät möglichst lange zu unterstützen. Und inzwischen gab es nicht nur immer mehr Geräte die, wie schon damals mein iPhone, keinen wechselbaren Akku und keine SD-Karte hatten, sondern inzwischen fiel auch immer öfter /natürlich zuerst bei Apple) der Headsetanschluss weg.
Und dann wurde das Fairphone 3 angekündigt. Fairphone hat vor, das mindestens 5 Jahre softwareseitig zu unterstützen, was schon einmal länger ist als ich je zuvor ein Smartphone nutzen konnte. Aufgrund des modularen Ansatzes zwecks Reparierbarkeit ist selbstverständlich auch der Akku austauschbar, ich habe auch vor, mir noch einen Zweitakku zu kaufen. Headsetanschluss und ein Steckplatz für eine SD-Karte sind vorhanden. Und ich konnte meine USB-C-Kabel, wie erwartet, weiter nutzen (wenngleich hier nur mit USB 2.0 über USB-C, aber außer Laden und ggf. mal Fotos kopieren mache ich eh nicht viel über das Kabel und Power-over-USB kann es, sodass auch schnelles Laden möglich ist).

Preislich wird das Fairphone oft als etwas teurer als vergleichbare Geräte genannt. Das stimmt aber nicht ganz, denn es soll ja länger nutzbar sein, und im Falle eines Defekts einfacher reparierbar, sodass das Kaufen eines komplett neuen Geräts nicht so schnell notwendig wird. Damit kommt man am Ende eben nicht teurer.

Nun finde ich es interessant, wenn ich über meine Gründe nachdenke, dass ich bis jetzt die Ansätze für faire Arbeitsbedingungen usw. noch gar nicht erwähnt habe. Das gute Gewissen ist hier das Extra obendrauf, aber kaufentscheidend war es nicht mehr. Die Entscheidung hatte ich schon längst aufgrund meiner Erfahrungen und Anforderungen getroffen. Ich hoffe, main Fairphone nutzt die Chance, die ich ihm gegeben habe, und bleibt möglichst lange nutzbar. Und ich hoffe, Fairphone wird auch beim Gerät, das in 5 Jahren oder so erscheint, noch meine Anforderungen erfüllen. Und das sie überhaupt bis dahin durchhalten. Wobei ich vorhin am Bahnhof auch eine Frau mit dem Fairphone 3 gesehen habe, das soll ja auch schon recht oft verkauft worden sein.